Bücher sind gefährlich.
Ja, wirklich. Bücher zählen zu den gefährlichsten Gegenständen, die ich kenne, und es beschämt mich beinahe, ein Wort wie »Gegenstand« zu nutzen. Ein Wasserkocher ist auch ein Gegenstand, oder ein Putzeimer, und doch können sie nicht halb so viel ausrichten wie ein Buch.

Ich will mich auf meine Prüfung vorbereiten, mache eine kurze Pause, esse etwas, komme zurück in mein Zimmer. Ich denke, ich könnte eine kurze Pause einlegen und hole das Buch aus meinem Bett. Seite 186. Da musste ich gestern Nacht aufhören, es wurde zu spät; ich darf nicht aus dem Schlafrhythmus kommen.

Aber das Buch ist eine Verlockung. Schon in jenem Moment gestern Nacht hätte ich es erkennen müssen, logisch denken wie die Menschen darin.

Ich lege mich in meine Hängematte, schlage die Seite auf, beginne zu lesen. Ein Schicksalsschlag nach dem nächsten, die Lage spitzt sich zu und die Spannung scheint die Skala sprengen zu wollen. Mein Bauch fühlt sich seltsam an, ich habe wenig gegessen heute, aber was ist es denn gegen die Menschen, die drohen zu verdursten? Genau hier, auf diesen blassgelben Blättern, bedruckt mit ordentlichen schwarzen Lettern, daneben ein Hauch von Lippenstift, der an meinen kalten Finger kleben muss.

Ich versinke in dieser Welt, muss mit den Händen den letzten Satz des Kapitels verdecken, damit meine Augen nicht wie von selbst dort hin springen, obgleich ich es gar nicht will.

Zehn Zeilen vor dem Ende gleiten meine Augen doch hinab. Auf dieser letzten halben Seite habe ich erkannt, was geschehen war, folgerte für einen Moment schneller als das zermürbte Mädchen, das noch nicht begreifen will. Ich lesen den letzten Abschnitt, den letzte Satz, starre auf die Seite, ehe ich mich aus der Matte rolle, den Stecker der Lampe ziehe und das Buch auf das Regal lege. Den Namen auf die Liste schreibe.

Als ich auf den Flur hinaus trete, ist es zehn vor Acht. Zehn vor Acht! Ich bin noch an die Zeit gewöhnt, in der es um sieben Dunkel wird, aber das Licht schien durch mein Fenster, ich habe es nicht registriert. Vielleicht hatte ich es gar nicht gewollt.

Kurz, bevor ich die Treppe hinauf gehe, schießt mir ein Gedanke durch den Kopf:

Bücher sind gefährlich.

Ich bin so unglaublich stolz darauf, das glaubt ihr nicht.

Um es kurz zu erklären: Es hat sich tatsächlich beinahe so zugetragen, nur dass ich auch eine Weile am Computer war, während ich gegessen habe.^^ Es war auch die Seite 186, in »Die Tribute von Panem – Gefährliche Liebe«. Vielleicht war das der Anschubser für den Leitsatz. Ich habe es noch mal durch den Kopf laufen lassen, als ich es auf die Liste geschrieben habe, die übrigens nur dazu dient, mir zu zeigen, wie viele Bücher ich dieses Jahr lese. Ich habe mal eine Statistik in einem Schulbuch gesehen – achte Klasse? – und da war jemand, der 17 Bücher gelesen hat, der Ausreißer, wie man das im Mathematikunterricht doch so schön sagte. Ich konnte es nicht fassen und führe nun Buch (jaaa... Sehr passend).

Als ich diesen Gedanken erst mal hatte fing ich an, die Kurzgeschichte zu planen und habe sie in einem Zug durch geschrieben. Am Ende noch ein klein wenig gefeilt, die Grundform aber beibehalten. Vielleicht kommt nicht so ganz raus, inwiefern Bücher eine Gefahr darstellen; meine Matheprüfung wird so oder so ganz sicher keine Eins und ich weiß auch nicht, wo der Unterschied zwischen »Die Haare hängen auf meine Schulter« und »Die Haare hängen auf meiner Schulter« liegt (meine kleine Schwester meinte, Letzteres klinge so, als seien die Haare an der Schulter befestigt. Es leuchtet ein, wenn nicht bei den Lehrern, dann zumindest bei mir) aber – nun, ihr wisst sicher gar nicht mehr, in welche Richtung dieser Satz eigentlich gehen sollte, aber ich denke, Bücher sind gefährlich, und wie, das muss man vielleicht für sich selbst herausfinden.

Man wird ja oft genug mit tödlicher Schönheit konfrontiert.

 

*edit*: Die beiden Prüfungen haben übrigens jeweils eine Zwei. Und ich hab mir schon Vieren und einen vermurksten Durchschnitt ausgemalt... Ich sollte Gott für meine Fähigkeit, ohne lernen gute Noten zu bekommen, danken.

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Kommentare: 3
  • #1

    Feechen♥ - Creativity Storm (Sonntag, 02 Februar 2014)

    Hui, auf dieser Seite steckt aber auch alles drin.
    Eine fesselnde Kurzgeschichte, mit der man sich einfach näher beschäftigen muss, ein locker-witziger Text aus deinem tiefsten Inneren. Nein, Scherz. ^^ Mir gefällt gut was ich sehe und werde mich jetzt mal meinerseits mit diesen lebensgefährlichen Gegenständen beschäftigen. :)

  • #2

    Silver (Mittwoch, 01 Juli 2015 19:41)

    Haha, klingt einfach 100% nach Märchenmara^^
    Genau so ist es wenn man ein Buch gefunden hat, das einen so sehr fesselt, dass man eigentlich an nichts anderes mehr denken und nichts anderes mehr tun mag als lesen um endlich das Ende zu erfahren.
    Super ge und beschrieben^^

  • #3

    Linn (Samstag, 26 Dezember 2015 20:17)

    Oh, dieses Gefühl kenn ich doch zu gut^^ Ja Bücher sind schon gefährliche... Gegenstände klingt da wirklich so unpassend... Tore zu anderen Welten... naja^^ Ich will seit ich klein bin aufschreiben wie viele Bücher ich so im Jahr lese, aber irgendwie habe das dann doch nie gemacht. Vielleicht nehme ich mir das noch mal für das nächste Jahr vor^^Auf jeden fall sehr schön und zutreffend geschrieben!