Nein, damit habe ich eigentlich auch nicht gerechnet. Eine Kurzgeschichte, obwohl ich doch gerade so beharrlich am Blog und dem Romanprojekt klebe, das seit zweieinhalb Monaten sowieso nicht gerade viel an Masse zugenommen hat.

 

Zeit für etwas Anderes.

 

Märchenkind existiert jetzt seit zwei Jahren und ich kann mich noch so gut an die Anfänge erinnern... Es ist so viel passiert, und ich bin immer noch die, nach der diese Seite benannt wurde: Ein kleines Mädchen aus einer Traumwelt. Dem können auch 730 Tage nichts anhaben, und 730 Tage klingt nach viel zu wenig, um diese Märchenzeit zu beschreiben.

 

Dankeschön für all das, was ich hier erlebt habe.




(Der Tempuswechsel ist hier im Übrigen ein interpretatorisch wertvolles stilistisches Mittel (das musste ich einfach schreiben, klingt so schön), kein Versehen. Ich glaube, ich schreibe zu selten im Präsens, in meinen Ohren klingt es immer so fremd.)


Sandzeitlos

 

Sie tippte vorsichtig mit der Fingerspitze gegen das Glas, aber der Sand rann weiter, als wäre nichts geschehen. Das hatte er schon immer getan und es würde auch heute nicht anders sein.

Sie hatte sich daran gewöhnt, an die vielen kleinen Staubkörner, die ununterbrochen durch die schmale Mitte des Stundenglases glitten. Manchmal hatte sie überlegt, ob man sie wohl aufhalten oder beschleunigen könnte, aber sie hatte es nie versucht. Sie hatte es auch nie umgedreht, weil sie nicht wusste, was passieren würde und ob sie es jemals wieder ungeschehen machen könnte. In dem Moment, in dem die Konstruktion waagerecht in der Schwebe lag, würde der Sand aufhören, sich von einer Hälfte in die andere zu bewegen – nur ganz kurz, einen Wimpernschlag lang, aber vielleicht war es dann schon zu spät. Wenn die Zeit aufhörte, weiter zu streben, konnten Dinge passieren, die ihre Vorstellungskraft überstiegen. Und es könnte sein, dass sie dann selbst nicht mehr existierte, ausgelöscht, weil sie doch auch nur ein Kind der Zeit war, das ohne sie vergehen musste.

Sie schloss für einen Moment die Augen und ließ ihre Hand auf den goldenen Verzierungen am oberen Rand des Stundenglases ruhen. Wenn sie es beschützte, hatte sie noch viele Stunden, das konnte sie an den Unmengen an Sand sehen, die sich noch im oberen Teil befanden. Auf dem Boden bildete sich erst eine kleine Düne, die stetig wuchs, aber noch ebenmäßig und überschaubar aussah.

Dennoch, heute Morgen, als sie aufgewacht war, hatte der feine Staub die Markierung übertreten. Sie hatte lange auf diesen Tag gewartet, aber inzwischen fürchtete sie sich vor der Weite und der Ungewissheit, die auf sie warteten.

Zögernd richtete sie sich auf, trat ans Fenster und hob den mitternachtsblauen Vorhang an, der das Zimmer normalerweise in ein sanftes Dämmerlicht tauchte. Draußen verbreiteten die drei Sonnen im Gegensatz dazu ein so gleißendes Licht, dass sie die Augen zusammenkneifen musste. Das Leben blendet mich, dachte sie.

Sie verbrachte beinahe eine ganze Stunde hinter der Glasscheibe, betrachtete die wogenden Grashalme und die kleinen Baumgruppen, die sich auf der Ebene verteilten. Alles blieb gleich, die ganze Zeit; nur die Sonnen drehten sich umeinander und suchten sich langsam ihren Weg zum Horizont. Nichts, nur Gräser und Bäume.

Sie ließ den Vorhang los und ging langsam zur Tür – drei Schritte, die sie schon oft getan hatte. Heute war vielleicht das letzte Mal.

Ein letzter Blick auf das Stundenglas. Es sah so vertraut und gleichzeitig ganz anders aus, als hätte sich etwas verändert, seit der Sand die Grenze überschritten hatte.

Sie wandte sich ab, umfasste die Klinke und drückte sie herunter.

Die Tür schwang auf. Draußen wartete jemand auf sie.

 

Als sie gemeinsam das Grasmeer durchqueren, denkt sie daran, dass die Aussicht vom Fenster sich nun verändert hat, und auch daran, dass sie dort nie wieder stehen wird, um zu warten, während die Zeit hinter ihr unaufhörlich hinabrieselt. Sie wird nicht sehen, wie das letzte Korn fällt, vielleicht wird sie sogar vergessen, daran zu denken. Aber was macht das schon, wo sie doch weiß, wie viel Sand noch übrig ist vor diesem letzten Moment? Nur das zählt.

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Kommentare: 1
  • #1

    Flu♥ (Montag, 02 Februar 2015 15:15)

    Wow, das passt so perfekt zu deiner Situation, das alte hinter sich lassen und etwas ungewisses, neues anfangen! Genial!
    Ich fand Sanduhren schon immer total faszinierend, früher beim Zähneputzen, immer auf die sanduhr gestarrt, 3 Minuten...:)
    Ich finde die Geschichte klasse, Mara!