Wie ihr euch vielleicht anhand der Bilder denken könnt, ist das nicht wirklich eine Geschichte. Es ist eigentlich ein Blogpost, den ich auch für meinen externen Blog geschrieben habe. Das ist inzwischen bald ein Jahr her und ich habe mich dafür entschieden, diesen Text dort nicht online zu stellen.

Hierher passt er schon eher, obwohl er sich trotzdem von meinen anderen Werken unterscheidet. Diese Mitschnitte waren erschütternd, aber nachdem ich diese Worte so lange habe ruhen lassen, dachte ich, ich veröffentliche sie wenigstens auf meiner Seite.

Ich ahnte nicht, dass es mich überkommen würde. Ich fühle mich ja selbst wie ein Moralapostel, der heimlich für PETA arbeitet und Werbung macht, aber ich wurde gerade aufs Schmerzlichste daran erinnert, warum ich kein Fleisch esse.


Tut mir leid, ich weiß, das will man eigentlich nicht lesen. Und ich will niemanden anprangern oder beeinflussen oder sonstwas tun; warum sollte ich Menschen sagen, was sie tun und lassen sollen? Das ist ganz und gar nicht meine Sache und das weiß ich. Ich muss nur gerade sehr dringend meine Gedanken loswerden.

Letzten Freitag habe ich eine alte Freundin getroffen, die mich fragte, ob ich immer noch Vegetarierin sei – ich hatte keine Ahnung von der ganzen Sache, ehe ich sie kennen lernte. Ich habe aber dann mit acht angefangen, meinen Konsum langsam einzustellen. Kein Fleisch, später keinen Fisch, seit einigen Jahren nicht mal Gummibärchen und Marshmallows.

Das war eine Gewohnheit. Wie, wenn man feststellt, dass meine keine Oliven mag und sie dann einfach nicht mehr isst, so einfach wird das mit der Zeit. Nach ein paar Jahren hat man sich eine Standard-Antwort für die Leute zurechtgelegt und der Reiz an der ganzen Sache ist irgendwie vergangen. Keine Lust auf Fleisch, keine Lust auf Tierschutz-Palaver. Ich esse eben keine Tiere, das war's schon.


Dann habe ich dieses Video vom ZDF gefunden und musste nach zehn Minuten bitterlich weinen.

Es ging gar nicht um die zerschredderten oder vergasten männlichen Küken.
Oder die flauschigen gelben Leichenberge, die mit Schaufeln in einer Container geworfen wurden.
Es ging nicht um die Mülltonnen voller Hühner, die die Mast nicht überlebt haben.
Es ging nicht um die Zucht, die die Tiere so schnell Fett ansetzen lässt, dass die Organe und Knochen nicht schnell genug mitwachsen können oder die ekelerregende Tatsache, dass sich das Gewicht von Puten seit den 60ern verdoppelt hat.
Es ging nicht darum, wie die betäubten Hühner, an den Füßen baumelnd, maschinell über ein Messer gezogen wurden.
Vielleicht war es ein bisschen die Tatsache, dass eine Schwein zehn Jahre leben könnte, nicht nur eine Handvoll Monate.

Aber eigentlich war es etwas Anderes.

Es waren die Fließbänder.

Ich finde das pervers. Wie Küken sortiert und durch die Gegend geschleudert werden, als wären sie Gegenstände. Die Schranktür hat einen Kratzer, kann weg. Das Küken ist zu dünn, kann in die Tonne. Diese Tiere werden einfach durch Fabrikhallen transportiert wie eine Ladung Kohlrüben, die man nach Belieben durch Röhrchen und Gitter pusten kann – das männliche Geschlecht mal ausgenommen, die setzten nämlich nicht schnell genug Fett an, kann man also gleich zerhächseln.
Was macht man eigentlich mit geschredderten Küken?

Für mich ist das gerade alles fürchterlich abstoßend. Dass das da draußen jetzt, in diesem Moment, passiert. Dieses Video. Dass ich jetzt auch noch allen Ernstes darüber schreibe. Es ekelt mich an.


Mich.
Es geht in diesem Text nur um eine Person, und das bin ich. Nicht du und nicht irgendwer sonst, nur ich. Ich will niemanden schlecht machen, weil es ja wirklich viel schöner ist, ab und an zu ignorieren, nicht immer alles zu wissen. Das mache ich immerhin auch, soweit ich weiß gab es hier noch keinen Artikel über Menschenrechtsverletzung, Regenwaldabholzung, was weiß ich. Es wäre absolut bescheuert, Leute anzumotzen, weil sie Fleisch essen, obwohl sie ansonsten wunderbare Menschen sind und das hier ist kein Vorwurf, sondern meine Meinung.


Ich will einfach nur nachdenken, nicht bloß über Märchenwelten, sondern auch über die, in der ich nun mal unweigerlich materiell gefangen bin.

Und ich will auch über den Rest nachdenken. Die Perspektive der Landwirte verfolgen und das tun, was ich in Interpretationsaufsätzen auch immer tun muss: Über die Intention nachdenken. Ja klar, die vom ZDF wollten ganz genau das erreichen, ein heulendes Mädchen, das die süßen kleinen Tiere retten will. Dann wurde ich jetzt wohl manipuliert, traurig, aber wahr.

Aber es war irgendwie wirklich nötig. Wieder zu wissen,warum ich Vegetarierin bin und wie durch einen Sprungs in kalte Wasser in die »Schneller, Fetter, Billiger«-Welt einzutauchen. Beziehungsweise: zu merken, wie kalt das Wasser um mich herum schon die ganze Zeit war und dass man im Namen von Geld und Macht wohl noch viele Eiswürfel dazuschütten wird.

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